hat mich der Terminsbericht des BSG zu den Familienhelfer. Bezüglich des bayerischen LSG wusste man es in Kassel besser: könnte eventuell, wenn man sich ein Detail genauer angesehen hätte. Aha. Und wie dann? So ganz nebenbei: an dieser nicht aufgelösten Spitzfindigkeit hängen Existenzen. Meine Mandanten bekommen keine Aufträge bis dieses Thema gelöst ist. Aber das macht nichts. Beim BSG verweist man zurück und dann machen wir das selbe Thema in zwei Jahren wieder. Warum auch nicht?
4. B 12 KR 14/10 R
SG München - S 3 KR 439/05
LSG München - L 4 KR 68/08
und
5. B 12 KR 24/10 R
SG Berlin - S 73 KR 715/05
LSG Berlin-Brandenburg - L 9 KR 232/07
Die Revisionen der beigeladenen DRV Bund (im Fall 4) bzw. der
beklagten AOK (im Fall 5) waren im Sinne der Aufhebung der LSG-Urteile
und Zurückverweisung der jeweiligen Sache zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung an die Vorinstanzen erfolgreich. Die bislang getroffenen
Feststellungen reichen nicht aus, um abschließend entscheiden zu können,
ob die im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe eingesetzten – jeweils
beigeladenen – Familienhelfer in den streitigen Zeiträumen der
Versicherungspflicht als Beschäftigte in den Zweigen der
Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung unterlagen. Beide
Landesozialgerichte haben die für die Abgrenzung zwischen Beschäftigung
und Selbstständigkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung
entwickelten Maßstäbe zwar zutreffend zum Ausgangspunkt ihrer Urteile
genommen (vgl. dazu zuletzt BSG, Urt. v. 28.09.2011 - B 12 KR 17/09 R –
hauswirtschaftliche Familienhelfer eines privaten Pflegedienstes). Zu
Recht haben beide Berufungsgerichte auch – gegen die Ansicht der
Revisionsführer – angenommen, dass allein die allgemeine
jugendhilferechtliche Gesamtverantwortung eines Jugendhilfeträgers nach
dem SGB VIII nicht schon für sich genommen dazu führt, ohne Weiteres
i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV Weisungsrechte des Trägers gegenüber den
einzelnen Familienhelfern nach der Art derjenigen eines Arbeitgebers zu
bejahen. Das SGB VIII trifft keine expliziten Aussagen darüber, in
welchen arbeits- und sozialrechtlichen Verhältnissen Familienhelfer
stehen, die der Jugendhilfeträger im Rahmen dieser Verantwortung
einsetzt (vgl. schon BAG, Urt. v. 25.05.2005 - 5 AZR 347/04 - BAGE 115,
1 unter Aufgabe entgegenstehender Rechtsprechung in BAGE 88, 327).
Beide Landesozialgerichte haben zudem vielfältige für und gegen
Beschäftigung bzw. Selbstständigkeit sprechende Umstände herangezogen
und diese in einer Gesamtschau gewürdigt. Diese Gesamtschau ist indessen
in beiden Fällen rechtsfehlerhaft. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung
setzt nämlich voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen
Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und
gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und dann
nachvollziehbar gegeneinander abgewogen werden. Daran fehlt es jeweils.
Im Fall des klagenden bayerischen Landkreises hat das
Landessozialgericht nicht hinreichend in den Blick genommen und daher
nicht korrekt in seine Gesamtabwägung eingestellt, dass engmaschige
Teambesprechungen mit den Familienhelfern stattfanden, nämlich in ca.
zweiwöchigem Rhythmus in Räumlichkeiten des Klägers und von einem
Sozialarbeiter des Kreises geleitet. Obwohl diese Veranstaltungen formal
als "freiwillig" und Fortbildung als "erwünscht" deklariert wurden,
wurde im Rechtsstreit Inhalt und Konsequenzen dieser Besprechungen nicht
hinreichend nachgegangen. Es könnte sich dabei um Zusammenkünfte
gehandelt haben, die über die bloße Information für Abrechnungszwecke
oder über die Vorbereitung behördlicher Entscheidungen über die
Fortgewährung von Jugendhilfeleistungen hinausgingen: Die Teilnahme
wurde den Familienhelfern vergütet, auch ist insoweit von
"Erfahrungsaustausch" und "Beratung", aber auch von "Qualitätssicherung"
die Rede. Gerade aus einer näheren Betrachtung dieser Veranstaltungen
könnten noch bedeutsame Erkenntnisse folgen, die in eine Gesamtabwägung
eingehen müssen, insbesondere was die Eingliederung in eine fremde
Betriebsorganisation und die Ausübung von Weisungsrechten anbelangt. Es
fehlen auch genauere Feststellungen hinsichtlich der Rückkopplung mit
dem Kläger und dazu, ob höchstpersönliche Leistungspflichten und
Vertretungsregelungen bestanden. Zu prüfen ist weiter, ob aus den
Umständen nicht sogar ein kontinuierlich praktiziertes, den jeweiligen
Fall einer Familienbetreuung übergreifendes Rechtsverhältnis (z.B. eine
Rahmenvereinbarung) herzuleiten ist, das für eine Beschäftigung sprechen
könnte. Aus diesen – und weiteren – Umständen könnte sich dann ggf. ein
anderes Gesamtbild ergeben als vom Landessozialgericht in seinem Urteil
zugrunde gelegt.
Im Fall des Landes Berlin fehlen hinreichende Feststellungen des
Landessozialgerichts dazu, unter welchen rechtlichen Vorgaben die
Familienhelfer dort überhaupt tätig wurden. Obwohl vom Kläger nach außen
hin formal Selbstständigkeit gewollt war, könnten Umstände darauf
hindeuten, dass trotz der gewählten rechtlichen Konstruktion (nur
Bewilligungsbescheid gegenüber dem jugendhilferechtlich Berechtigten,
Betonung, dass "keinerlei Rechtsbeziehungen" des Familienhelfers zum
Land Berlin bestünden) eine Beschäftigung vorlag. Von Bedeutung könnte
in diesem Zusammenhang z.B. die Gewährung an sich typischer
Arbeitgeberleistungen des Landes an die Beigeladene zu 1. sein, nämlich
einer "Urlaubsabgeltung" (was gedanklich einen eingeräumten
Urlaubsanspruch nach dem BUrlG voraussetzt, der nicht in Natur genommen
werden konnte) sowie die laufende Zahlung von Zuschüssen zur
freiwilligen Krankenversicherung; zu den Hintergründen dafür fehlen
Feststellungen. Hinzu kommen hier noch – abweichend vom Fall 4) –
Hinweise auf eine Vergütungshöhe, die sich kaum von derjenigen für
angestellte Fachkräfte abgehoben haben dürfte. Vor diesem Hintergrund
wird (ebenso in Bezug auf ein fehlendes Vergütungsausfallrisiko)
festzustellen und zu klären sein, ob überhaupt typische Chancen und
Risiken einer Selbstständigkeit bestanden. Darüber hinaus wäre auch hier
zu prüfen, ob aus den Umständen ggf. ein die einzelnen
familienbezogenen Einsätze übergreifendes Rechtsverhältnis herzuleiten
ist. Das sich anschließend ergebende Gesamtbild könnte hier ebenfalls zu
einem vom angefochtenen LSG-Urteil abweichenden Ergebnis führen.