Dienstag, 1. Mai 2012

weiter gebracht

hat mich der Terminsbericht des BSG zu den Familienhelfer. Bezüglich des bayerischen LSG wusste man es in Kassel besser: könnte eventuell, wenn man sich ein Detail genauer angesehen hätte. Aha. Und wie dann? So ganz nebenbei: an dieser nicht aufgelösten Spitzfindigkeit hängen Existenzen. Meine Mandanten bekommen keine Aufträge bis dieses Thema gelöst ist. Aber das macht nichts. Beim BSG verweist man zurück und dann machen wir das selbe Thema in zwei Jahren wieder. Warum auch nicht?


4. B 12 KR 14/10 R
SG München - S 3 KR 439/05
LSG München - L 4 KR 68/08
und
5. B 12 KR 24/10 R
SG Berlin - S 73 KR 715/05
LSG Berlin-Brandenburg - L 9 KR 232/07
Die Revisionen der beigeladenen DRV Bund (im Fall 4) bzw. der beklagten AOK (im Fall 5) waren im Sinne der Aufhebung der LSG-Urteile und Zurückverweisung der jeweiligen Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanzen erfolgreich. Die bislang getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob die im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe eingesetzten – jeweils beigeladenen – Familienhelfer in den streitigen Zeiträumen der Versicherungspflicht als Beschäftigte in den Zweigen der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung unterlagen. Beide Landesozialgerichte haben die für die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zwar zutreffend zum Ausgangspunkt ihrer Urteile genommen (vgl. dazu zuletzt BSG, Urt. v. 28.09.2011 - B 12 KR 17/09 R – hauswirtschaftliche Familienhelfer eines privaten Pflegedienstes). Zu Recht haben beide Berufungsgerichte auch – gegen die Ansicht der Revisionsführer – angenommen, dass allein die allgemeine jugendhilferechtliche Gesamtverantwortung eines Jugendhilfeträgers nach dem SGB VIII nicht schon für sich genommen dazu führt, ohne Weiteres i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV Weisungsrechte des Trägers gegenüber den einzelnen Familienhelfern nach der Art derjenigen eines Arbeitgebers zu bejahen. Das SGB VIII trifft keine expliziten Aussagen darüber, in welchen arbeits- und sozialrechtlichen Verhältnissen Familienhelfer stehen, die der Jugendhilfeträger im Rahmen dieser Verantwortung einsetzt (vgl. schon BAG, Urt. v. 25.05.2005 - 5 AZR 347/04 - BAGE 115, 1 unter Aufgabe entgegenstehender Rechtsprechung in BAGE 88, 327). Beide Landesozialgerichte haben zudem vielfältige für und gegen Beschäftigung bzw. Selbstständigkeit sprechende Umstände herangezogen und diese in einer Gesamtschau gewürdigt. Diese Gesamtschau ist indessen in beiden Fällen rechtsfehlerhaft. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt nämlich voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und dann nachvollziehbar gegeneinander abgewogen werden. Daran fehlt es jeweils.
Im Fall des klagenden bayerischen Landkreises hat das Landessozialgericht nicht hinreichend in den Blick genommen und daher nicht korrekt in seine Gesamtabwägung eingestellt, dass engmaschige Teambesprechungen mit den Familienhelfern stattfanden, nämlich in ca. zweiwöchigem Rhythmus in Räumlichkeiten des Klägers und von einem Sozialarbeiter des Kreises geleitet. Obwohl diese Veranstaltungen formal als "freiwillig" und Fortbildung als "erwünscht" deklariert wurden, wurde im Rechtsstreit Inhalt und Konsequenzen dieser Besprechungen nicht hinreichend nachgegangen. Es könnte sich dabei um Zusammenkünfte gehandelt haben, die über die bloße Information für Abrechnungszwecke oder über die Vorbereitung behördlicher Entscheidungen über die Fortgewährung von Jugendhilfeleistungen hinausgingen: Die Teilnahme wurde den Familienhelfern vergütet, auch ist insoweit von "Erfahrungsaustausch" und "Beratung", aber auch von "Qualitätssicherung" die Rede. Gerade aus einer näheren Betrachtung dieser Veranstaltungen könnten noch bedeutsame Erkenntnisse folgen, die in eine Gesamtabwägung eingehen müssen, insbesondere was die Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation und die Ausübung von Weisungsrechten anbelangt. Es fehlen auch genauere Feststellungen hinsichtlich der Rückkopplung mit dem Kläger und dazu, ob höchstpersönliche Leistungspflichten und Vertretungsregelungen bestanden. Zu prüfen ist weiter, ob aus den Umständen nicht sogar ein kontinuierlich praktiziertes, den jeweiligen Fall einer Familienbetreuung übergreifendes Rechtsverhältnis (z.B. eine Rahmenvereinbarung) herzuleiten ist, das für eine Beschäftigung sprechen könnte. Aus diesen – und weiteren – Umständen könnte sich dann ggf. ein anderes Gesamtbild ergeben als vom Landessozialgericht in seinem Urteil zugrunde gelegt. 
Im Fall des Landes Berlin fehlen hinreichende Feststellungen des Landessozialgerichts dazu, unter welchen rechtlichen Vorgaben die Familienhelfer dort überhaupt tätig wurden. Obwohl vom Kläger nach außen hin formal Selbstständigkeit gewollt war, könnten Umstände darauf hindeuten, dass trotz der gewählten rechtlichen Konstruktion (nur Bewilligungsbescheid gegenüber dem jugendhilferechtlich Berechtigten, Betonung, dass "keinerlei Rechtsbeziehungen" des Familienhelfers zum Land Berlin bestünden) eine Beschäftigung vorlag. Von Bedeutung könnte in diesem Zusammenhang z.B. die Gewährung an sich typischer Arbeitgeberleistungen des Landes an die Beigeladene zu 1. sein, nämlich einer "Urlaubsabgeltung" (was gedanklich einen eingeräumten Urlaubsanspruch nach dem BUrlG voraussetzt, der nicht in Natur genommen werden konnte) sowie die laufende Zahlung von Zuschüssen zur freiwilligen Krankenversicherung; zu den Hintergründen dafür fehlen Feststellungen. Hinzu kommen hier noch – abweichend vom Fall 4) – Hinweise auf eine Vergütungshöhe, die sich kaum von derjenigen für angestellte Fachkräfte abgehoben haben dürfte. Vor diesem Hintergrund wird (ebenso in Bezug auf ein fehlendes Vergütungsausfallrisiko) festzustellen und zu klären sein, ob überhaupt typische Chancen und Risiken einer Selbstständigkeit bestanden. Darüber hinaus wäre auch hier zu prüfen, ob aus den Umständen ggf. ein die einzelnen familienbezogenen Einsätze übergreifendes Rechtsverhältnis herzuleiten ist. Das sich anschließend ergebende Gesamtbild könnte hier ebenfalls zu einem vom angefochtenen LSG-Urteil abweichenden Ergebnis führen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen