Dienstag, 26. Februar 2013

vollstreckte Beiträge

Eine der unangenehmen Teile der Scheinselbständigkeit sind Beiträge. 

Nehmen wir an, der Subunternehmer bekam pro Jahr 30.000 €, das ganze ging über acht Jahre so. Vier Jahre zurück sind nicht verjährt, über den Stichtag Jahresende wird es etwas mehr. Schön, das ganze. 

Rechnung über den Daumen: 120.000 € Zahlungen, davon 40 %. Macht 36.000 €. Sie haben noch drei weitere? Jetzt wird es teuer. Und sofort. Beiträge sind sofort fällig, Ratenzahlung wird selten akzeptiert, dann hilft nur noch der Antrag auf Aussetzung der Vollzieheung, notfalls Widerspruch und ein Antrag beim Sozialgericht. 

Plan B wäre einfach pleite gehen, das wollen Sie auch nicht. 

Noch mal zurück zu den 36.000 € plus oder etwas weniger oder das dreifache. Anwalt lohnt sich. Rendite gibt es immer. Oder wenigstens Aufschub. Oder keine Säumniszuschläge. 

Mittwoch, 20. Februar 2013

Geschäftsführer einer Rechtsanwaltskammer Beschäftigter

so sagt das LSG Thüringen: 

Hinter diesen gewichtigen Argumenten für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung tritt zurück, dass der Beigeladene zu 2. hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Art und Ausführung seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterlag. Denn diese Freiheiten sind bei Diensten höherer Art üblich (vergleiche BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - Az.: B 12 KR 10/01 R, zitiert nach Juris). Vergleichbares gilt auch soweit der Beigeladene zu 2. eingeräumt hat, dass keiner seine Urlaubstage gezählt hat und es insbesondere eine förmliche Bewilligung des Urlaubes nicht gab. Gegen eine versicherungspflichtige Beschäftigung kann auch nicht angeführt werden, dass der Beigeladene zu 2. berechtigt war, trotz seiner Tätigkeit als Geschäftsführer weiterhin als Rechtsanwalt freiberuflich tätig zu sein.
Was mich an der Entscheidung überrascht, ist die Idee, überhaupt einen selbständigen Geschäftsführer zu haben. Das dürfte doch ein Vollzeit-Job sein und keine Nebentätigkeit. Ist der Geschäftsführer maßgeblich als Gesellschafter an der RAK beteiligt? Wohl eher nicht. Woher kommt dann die Selbständigkeit. Es wurde diskutiert (nach meinem Kenntnisstand gibt es auch in Thüringen Fachanwälte für Sozialrecht, aber gewöhnlich haben die keine große Lobby)

Für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses spricht vor allem das Fehlen des für einen Selbständigen typischen Unternehmerrisikos in der Person des Beigeladenen zu 2. Maßgebliches Kriterium hiefür ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 - Az.: B 12 KR 17/00 R, zitiert nach Juris). Aufgrund der vereinbarten Zahlung eines monatlich gleichbleibenden Betrages ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der Rechtsanwaltskammer, hatte der Beigeladene zu 2. kein eigenes Unternehmerrisiko zu tragen. Wesentlich für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung ist ferner, dass der Beigeladene zu 2. bei einem Kernbereich seiner Tätigkeit, nämlich der Überprüfung der zugelassenen Rechtsanwälte bis hin zur Entziehung von Zulassungen beziehungsweise der Entscheidung über Anträge auf Neuzulassung, nur Entscheidungsvorschläge machte und die Entscheidung im Anschluss von dem zuständigen Organ der Rechtsanwaltskammer, nämlich deren Präsidenten getroffen wurde. Auch bei der Bearbeitung von Beschwerden und Eingaben gegen die Rechtsanwälte bereitete er nur die Entscheidungsvorschläge vor, die Schreiben wurden vom Präsidenten gebilligt und unterzeichnet. In diesem Zusammenhang ist auf § 4 der Geschäftsordnung für den Vorstand der Rechtsanwaltskammer Thüringen hinzuweisen. Nach § 4 Abs. 1 der Geschäftsordnung führt der Präsident der Kammer die laufenden Geschäfte und führt die Beschlüsse des Vorstandes aus. Der Präsident oder sein Stellvertreter sind ermächtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen selbständig zu entscheiden oder ein Mitglied des Vorstandes oder den Geschäftsführer mit der Erledigung zu beauftragen. Daher verhielt es sich gerade nicht so, dass der Beigeladene zu 2. seine Tätigkeit als Geschäftsführer völlig frei ausüben konnte. Vielmehr konnte der Präsident der Rechtsanwaltskammer ihm jederzeit Weisungen erteilen. Soweit dieser in einer Stellungnahme vom 14. Mai 2008 geltend gemacht hat, dass bei seinem Amtsantritt im Jahre 2001 der Beigeladene zu 2. seine Tätigkeit völlig frei ausgeübt habe und er zum Beispiel der Meinung gewesen sei, aus eigener Kompetenz entscheiden zu können, ob er bei einem Kongress der DATEV teilnehmen müsse oder nicht, spricht dies nicht gegen das gefundene Ergebnis. Zum einen wird damit nicht in Abrede gestellt, dass ein erheblicher Teil des außenwirksamen Schriftverkehrs, zum Beispiel in Zulassungsangelegenheiten vom Präsidenten der Rechtsanwaltskammer oder seinem Vertreter zu unterzeichnen war. "Unterzeichnen" bedeutet in diesem Zusammenhang ebenfalls Billigung des Inhalts des Schreibens beziehungsweise die Befugnis zur Abänderung. Zum anderen ist entscheidend, dass der Präsident der Rechtsanwaltskammer die Befugnis hatte, derartige Weisungen zu erteilen, wovon er im übrigen auch selbst ausging. Ob solche Weisungen in der Praxis tatsächlich erteilt werden oder nicht, ist für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ohne Belang. Die rechtliche Möglichkeit der Erteilung von Weisungen reicht aus. Diese war nach § 4 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer gegeben. Dies steht auch mit dem abgeschlossenen Geschäftsführervertrag aus dem Jahre 1994 beziehungsweise dem Änderungsvertrag vom 24. Oktober 1996 im Einklang. Aus Ziffer 4 des Geschäftsführervertrages ergibt sich, dass die Aufgaben des Geschäftsführers sich unter anderem aus der Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer Thüringen sowie den Beschlüssen des Vorstandes und seines Präsidiums und den Anweisungen des Präsidenten oder seines Stellvertreters ergeben. Dass diese Regelung wirksam abbedungen worden wäre, ist nicht ersichtlich. Dies wäre bei der Ausübung der Aufsicht über die Rechtsanwälte nach der Bundesrechtsanwaltsordnung auch rechtlich gar nicht möglich. Für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses spricht des Weiteren, dass in dem Geschäftsführervertrag eine Lohnfortzahlung im Falle der Arbeitsunfähigkeit und ein Urlaubsanspruch in Höhe von 20 Werktagen vereinbart wurden.

Statusfeststellungsantrag muss entschieden werden

vermutlich. Die Rentenversicherung hatte anerkannt. Nach einer Feststellung im Rahmen der Betriebsprüfung fühlte man sich nicht mehr, über einen Antrag nach § 7a SGB IV zu entscheiden. Ist doch überflüssig. Ist doch schon entschieden. Irgendwie. 

Und wenn dann das nächste Mal der Prüfdienst "von den anderen" kommt? Dann habe ich keinen Bescheid. Dann entscheiden die noch einmal. Und vielleicht anders. Und für die Vergangenheit.

Das sah dann auch die Rentenversicherung Bund ein. In der Entscheidung geht es um Geld. Streitwert. Der Sachverhalt verrät das Anerkenntnis.

der selbständige Kurierfahrer

gewöhnlich finden sich die Entscheidungen zur Selbständigkeit unter den Aktenzeichen R (für Rente) oder KR (gesetzliche Krankenversicherung). 

Hier eine Entscheidung aus dem Lager AL: der Kläger bekam Existenzgründung und sollte diese zurückzahlen, da er nicht wirklich selbständig gewesen sei. Über 14.000 sollte der gute Mann, der als Kurierfahrer sicherlich nicht in der Steueroasen dieser Welt ansässig werden musste, zurück zahlen. 
Es ist schon abenteuerlich, einem Kurierfahrer-Gründer nach Jahren 14.000 € abzuverlangen weil er selbst (grob fahrlässig) an der Selbständigkeit hätte zweifeln müssen. Hätte doch Hartz IV beziehen können der Mann und Flaschen sammeln - oder? Wäre doch besser gewesen. Für ihn und für den Steuerzahler. (mich würgt es)

Ganz nebenbei: wer sich dieser Tage über die Nummer bei Amazon aufregt, sollte die Stundenlöhne und Stundenumsätze in der Entscheidung durchlesen.Es geht dabei um Apotheken.

Das LSG Baden-Würrtemberg kam hier zu dem Ergebnis, der Fahrer sei selbständig gewesen. Dazu wird unterschieden was die selbständigen und die beschäftigten Kurierfahrer in dem Unternehmen ausmacht: 

Gegen eine selbständige Tätigkeit und für eine abhängige Beschäftigung bei der T. GmbH spricht zunächst die Tatsache, dass der Kläger bereits vor Anmeldung seiner selbständigen Tätigkeit als Kurierfahrer und für Kleintransporte für die T. tätig war. Diese Tätigkeit unterschied sich aber grundlegend von der nachfolgenden Tätigkeit. Zunächst wurden ihm als abhängig Beschäftigten ausschließlich kurzfristige Tagtouren gegeben, die zu einem festen Stundensatz vergütet wurden und die jeweils zu einem bestimmten Empfänger durchzuführen waren. Darüber hinaus war der Kläger als Springer tätig, d.h. er half aus, wenn andere Mitarbeiter nicht fahren konnten. Die Tätigkeit war von vorneherein als geringfügige Beschäftigung konzipiert und sollte nicht darüber hinaus gehen. Die spätere Tätigkeit unterscheidet sich insofern von dieser Tätigkeit als der Kläger vor allem Nachttouren erhielt, auf denen die T. allein selbständige Subunternehmer einsetzte, die sie also gar nicht (mehr) an ihre Angestellten vergab. Diese Tätigkeit wurde zwar auch nach einem festen Stundensatz vergütet, aber nach der Aussage von Frau K. im Erörterungstermin vom 28.11.2012 wurde dieser feste Stundensatz eher lax gehandhabt. Faktisch wurde ein fester Satz für eine bestimmte Tour gewährt. Weiterhin lud der Kläger als geringfügig Beschäftigter die Medikamente nicht selbständig beim Auftraggeber der Firma T. , sondern übernahm diese von einem Dritten auf einem dafür verabredeten Parkplatz, während er sich als Selbständiger unmittelbar zum Depot der Firma P. begab.
Sie mussten das jetzt zweimal lesen? Ich auch. Unterschiede sind manchmal sehr fein. Ob sie im Hellen oder bei Dämmerung arbeiten, das kann schon mal ein entscheidender Unterschied zwischen Arbeitnehmer und Unternehmer sein. Sie merken auch sprachlich: UNTERnehmer, ARBEITnehmer - überall ein nehmer (kein geber). Mir gefällt es trotzdem. Nach Ansicht mancher Richter sind in Deutschland grundsätzlich alle Arbeitnehmer, mit Ausnahme derjenigen, die ausnahmsweise erlaubterweise Unternehmer sind. Ob sie das wollen oder nicht.

Wirklich nett sind die Ausführungen zu Weisungen und Fahrzeug des Auftraggebers, wobei sich das LSG Mühe machte und ausnahmsweise phantasievoll zugunsten der Selbständigkeit argumentierte.

Für eine abhängige Beschäftigung spricht weiterhin, dass der Kläger zumindest teilweise den Weisungen der T. GmbH unterlag, denn er musste in einem bestimmten Zeitrahmen die Medikamente bei der Firma P. einladen und diese auch bis zu einem bestimmten Zeitpunkt an den jeweiligen Apotheken abgeliefert haben. Weiterhin fuhr er täglich dieselben Apotheken an, die ihm von der T. GmbH vorgegeben waren. ... Weiterhin spricht für eine abhängige Beschäftigung des Klägers die Nutzung der Fahrzeuge der T. GmbH. Er nutzte insofern Betriebsmittel der T. GmbH und war darauf angewiesen, dass diese ihm die Fahrzeuge zur Verfügung stellte, ihn mit den Papieren und Schlüsseln zu den Fahrzeugen ausstattete und diese auch versicherte. Das spricht für eine gewisse weitere Eingliederung in den Betrieb der T. GmbH,

Zeitliche Vorgaben als solche schließen aber nicht von vorneherein eine selbständige Tätigkeit aus, denn sie sind auch unter Selbständigen durchaus üblich, wenn sie durch Sachzwänge bedingt sind. Das ist vorliegend schon daraus erkennbar, dass die zeitlichen Vorgaben nicht von der Firma T. GmbH selbst gemacht wurden, sondern sich aus den Öffnungszeiten des Depots der Firma P. und den Öffnungszeiten der Apotheken ergaben. Die Reihenfolge der Anfahrten an die Apotheken blieb den Fahrern überlassen, so dass der Kläger insofern über seine Zeit dazwischen frei verfügen konnte und z.B. den Transporter der T. GmbH - nach Absprache - zwischenzeitlich irgendwo abstellen und einen anderen Kurzauftrag mit einem eigenen Fahrzeug hätte erledigen können.
Hier der entscheidende Punkt und die Gewichtung:

Für eine selbständige Tätigkeit spricht auch, dass zwischen dem Kläger und der T. keine Urlaubsregelung getroffen wurde und der Kläger tatsächlich seine Aufträge auch durch Dritte durchführen lassen konnte. Weiterhin spricht für die selbständige Tätigkeit des Klägers, dass er seine Leistung weiteren Auftraggebern anbot, also Eigenwerbung betrieb und dass er seine Tätigkeit als Gewerbe anmeldete und Mehrwertsteuer abführte und in seinen Rechnungen auswies.

Das Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers in der Zeit vom 02.08.2004 bis 01.08.2007 stellt sich als typischer Fall einer im Aufbau befindlichen Tätigkeit als selbständiger Kurierfahrer und Kleintransporteur dar, der zunächst einen Auftraggeber hatte und durch beständiges Suchen und Eigenwerbung weitere Aufträge erreichen konnte. Im Ergebnis ist der Kläger als typischer Existenzgründer genau den Weg gegangen, der durch § 421l SGB III gefördert werden sollte.

Immerhin mutig. Die Entscheidung bringt zum Ausdruck, dass man mit Statusfragen umgehen können muss und eine Idee haben sollte. Auf Unterschiede kommt es an. Nicht auf Platitüden.

In der Konstellation hätte ich eher vermutet, dass der Senat das Verfahren über § 45 SGB X tot macht. Das hätte dann auch den Ekel deutlicher zum Ausdruck gebracht.