Mittwoch, 20. Januar 2016

Notarzt und Assistenten


Schön an Landessozialgerichten sind unterschiedliche Senate mit unterschiedlichen Ansichten. Berlin. (nein, es geht dabei nicht um die Toiletten in Tegel, die voraussichtlich noch 10 jahre gut riechen) Es geht um Notärzte. Und Assistenten. Genauer um solche und solche. 
Das LSG Berlin-Brandenburg - L 1 KR 105/13 setzte sich dabei mit folgendem Anfrageverfahren auseinander - wobei der Zeitraum zwischen Anfrage und Urteil immerhin fast 6 Jahre beträgt:
Am 12. November 2009 beantragten die Klägerin und der Beigeladene bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Tätigkeit des Beigeladenen für die Klägerin. Der Beigeladene beschrieb seine Tätigkeit wie folgt: Nach Bedarf Ableistung selbständiger Notarzteinsätze bei verschiedenen Arbeitsgebern/eigene Einsatzkleidung, Stethoskop.
Da zuckt der Sozialrechtler und schluckt wegen des geringen Investitionsvolumens. Was kostet eigentlich ein Stethoskop?

Das LSG hat sich nun mit Details sehr interessant auseinander gesetzt:
Einige der bereits genannten, im Rahmen des § 7 SGB IV für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung entwickelten Kriterien sind für die Einstufung der Tätigkeit eines Notarztes im Rettungsdiensteinsatz ohne Bedeutung. Denn angesichts der Umstände, welche die Ausübung dieser Tätigkeit prägen, haben sie keine Aussagekraft dafür, ob die Tätigkeit in Abhängigkeit oder als Selbständiger verrichtet wird. Dies betrifft die Fragen des Unternehmerrisikos, der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation und das Nutzen fremder Arbeitsmittel. Insoweit ist die Tätigkeit hier dadurch bestimmt, dass die zur Personalstellung verpflichteten Krankenhäuser an von ihnen beauftragte Notärzte einen bestimmten Stundensatz zahlen, der sich primär nicht an einem besonderen unternehmerischen Erfolg, sondern an der Dauer der erbrachten Bereitschafts-Dienstleistung sowie der Zahl der konkreten Einsätze orientiert. Der Rettungsdienst ist davon geprägt, dass Vorsorge vor allgemeinen Notfällen und für Katastrophenfälle geleistet und im Notfall geholfen wird. Er ist also von der Bereitschaft und der Erbringung von Notfalleinsätzen geprägt und gerade nicht von einzelnen ärztlichen Dienstes, wie die die Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte darstellt. Deswegen stellt es kein Argument für oder gegen die Selbständigkeit eines Notarztes dar, dass er wegen des festen Stundensatzes nicht das Risiko trägt, Arbeitsleistungen zu erbringen ohne eine Vergütung dafür zu erhalten. Nach Auffassung des Senats gehört die Tätigkeit als Notarzt zu den durch die Persönlichkeit des Dienstleisters bestimmten Tätigkeiten, die sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch in der einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden (vgl. bereits Urteil des erkennenden Senats v. 17. Januar 2014 - L 1 KR 137/13 - und zuletzt Urteil vom 30. Januar 2015 - L 1 KR 301/12; speziell zu Ärzten: Urteil vom 17. April 2014 - L 1 KR 405/12). Nicht der Rahmen einer bestehenden betrieblichen Organisation, sondern die Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen des konkret und einzeln Handelnden.

Das LSG setzt sich vor allem mit Eingliederung und Weisung und der Frage der Arbeitnehmerüberlassung auseinander. Man hätte hier die Frage eines "Gemeinschaftsbetriebes" stellen können, aber das würden vermutlich nur wirre Arbeitsrechtler tun. 
Der Senat hat sich nicht davon überzeugen können, dass der Beigeladene jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht einem Weisungsrecht der Klägerin unterlegen hat bzw. unterliegt, das über die vertraglichen Regelungen hinausging und geeignet ist, eine abhängige Beschäftigung zu begründen.

Es ist zunächst unstreitig, dass der Rettungsdienst nicht in den Krankenhausbetrieb der Klägerin integriert ist. Außer durch die Organisation des Dienstplanes übernimmt die Klägerin auf die Arbeit der Notärzte keinen Einfluss. Es stellt weder den Notarztwagen, noch die Arbeitsmittel. Die Bereitstellung eines Aufenthaltsraumes erfolgt gegenüber dem Träger des Rettungsdienstes.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich eine Weisungsabhängigkeit de facto dergestalt zeigt, dass die Klägerin im Wege einer Art Arbeitnehmerüberlassung dem Träger des Rettungsdienstes ärztliches Personal überlässt und die Weisungsabhängigkeit zwischen dem Arbeitnehmer zum Entleiher auch im Verhältnis Arbeitnehmer zum Verleiher als Arbeitgeber zeigt.
Mir fehlt das Abarbeiten des Unternehmerrisikos, aber vielleicht muss man sich von diesem Unsinn lösen. Im Unternehmerrisiko wird zu pauschal mit den investitionen hantiert und zu wenig überlegt was die Leistung ausmacht und wie sie beschaffen ist.

Insgesamt ein befriedigendes Urteil mit Lücken. Könnte man sagen.

Nebenbei: Das LSG Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 18.12.2013 – L 2 R 64/10 – ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Notarzt und einer Rettungsdienst-GmbH bejaht. Wenn ich mich recht erinnere, ging es aber um Hubschrauber und stärkere Einbindung in das Team.

Der Baggerfahrer ohne Bagger

Fahrzeug haben oder nichthaben, das ist hier die Frage an der sich immer wieder viel abspielt, vor allem wenn die . 

Der Kläger war als Baumaschinenführer für mehrere Auftraggeber unterwegs und bediente deren Gerät. Der Fall scheint auf den ersten Blick wenig aussichtsreich, man kann schwer unterscheiden inwiefern sich der kläger - auf den ersten blick - von einem angestellten Baggerführer unterscheidet. Ein gewisses Kriterium lag wohl daran, dass er eine Angestellte beschäftigte. 

Das LSG Baden-Württemberg ist für Auftraggeber vermutlich angenehmer als andere LSG in Deutschland:

Nach dem Gesamtbild der Tätigkeit ist der Senat auch davon überzeugt, dass der Kläger zu 1) nicht in den Betriebsablauf der Klägerin zu 2) eingegliedert war. Wie die Kläger übereinstimmend vorgetragen haben, war der Kläger zu 1) auf den Baustellen allein tätig. Lediglich für die Abfuhr von Abbruchmaterial bzw die Zufuhr von Material zur Verfüllung musste er sich mit den Lkw-Fahrern der Klägerin zu 2) abstimmen. Vorgaben gab es weder hinsichtlich der Art der Tätigkeit, noch zum zeitlichen Ablauf. Der Kläger zu 1) musste seine Arbeitsstunden nicht erfassen oder vom Kunden der Klägerin zu 2) bestätigen lassen, es gab keine verpflichtenden Anwesenheitszeiten. Die aus der Natur der Sache erforderliche Koordinierung, die im Wege gleichberechtigter Absprache erfolgte, begründet keine Eingliederung in einen fremden Betriebsablauf. Entscheidend ist hier, dass der Kläger zu 1) nicht im Rahmen von laufender Zuarbeit für andere Mitarbeiter der Klägerin zu 2) tätig geworden ist, was ohne Weisungsrecht kaum vorstellbar wäre, sondern sich selbst zur Erbringung von konkret abgrenzbaren Werkleistungen verpflichtet hat. Soweit es um Ort und Art der Tätigkeit sowie den zeitlichen Rahmen geht, waren die entsprechenden Festlegungen bereits Vertragsinhalt, so dass insoweit nicht durch Einzelanweisungen auf die Tätigkeit des Klägers zu 1) Einfluss genommen wurde. Umstände, die durch entsprechende Rahmenvereinbarungen oder -pläne bereits im Voraus vertraglich festgelegt sind, begründen idR kein Weisungsrecht des Auftraggebers (vgl BSG 04.04.1979, 12 RK 37/77, juris zur Verpflichtung eines Orchestermusikers, eine Tracht zu tragen und ein bestimmtes Instrument zu spielen; BSG 27.11.1980, 8a RU 26/80, juris zu Ringtourenfahrer; BSG 12.02.2004, B 12 KR 26/02 R, juris zu Dozent an einer Volkshochschule). Der Kläger zu 1) trat auch nach außen hin nicht als Mitarbeiter der Klägerin zu 2) auf, was sich schon aus der Eigenwerbung auf Auto und Arbeitskleidung ergibt.

Interessant ist es und die Argumente sind schön dargestellt. Rechtsprechung aus dem Jahr 1980 finde ich zwar wenig elegant, aber das Ergebnis zählt. Was bleibt? Das Totschlagargument:

Hauptstreitpunkt im vorliegenden Fall ist die Frage des Vorliegens eines unternehmerischen Risikos als ein entscheidender Gesichtspunkt im Rahmen der Abwägung. Wird letztlich nur die eigene Arbeitskraft eingesetzt und keine Arbeitsmittel mit der ungewissen Aussicht darauf, Einnahmen zu erzielen, liegt eine abhängige Beschäftigung vor. So liegt der Fall entgegen der Auffassung der Beklagten hier indes nicht. Zwar hat der Kläger zu 1) keinen eigenen Bagger eingesetzt, dies ist jedoch kein Ausschlusskriterium für das Vorliegen selbstständiger Tätigkeit. Aufgrund der Vereinbarung eines Pauschalpreises hatte der Kläger zu 1) hier gleichwohl ein unternehmerisches Risiko, denn er musste die vereinbarte Leistung auch dann vollständig erbringen, wenn dies mehr Zeit erforderte, als von ihm kalkuliert. Anders als in dem vom Senat zuletzt entschiedenen Fall eines Baggerfahrers ohne eigenen Bagger (Urteil vom 30.09.2014, L 11 KR 2937/13) war hier kein fester Stundenlohn vereinbart, welcher den Betroffenen des Risikos enthebt, für seinen Arbeitseinsatz uU keine Gegenleistung zu erhalten. Die Vereinbarung eines festen Stundenlohns, die der typischen Entlohnung eines abhängig Beschäftigten entspricht (Senatsurteile vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12 sowie vom 16.09.2008, L 11 R 1074/08, beide veröffentlicht in juris), liegt hier gerade nicht vor. Zudem trägt der Kläger zu 1) auch deshalb ein unternehmerisches Risiko, weil er mit der Beschäftigung einer sozialversicherungspflichten Mitarbeiterin sowie aufgrund der zu zahlenden Beiträge für Betriebshaftpflicht und Berufsgenossenschaft auch dann Aufwendungen hat, wenn keine Aufträge vorliegen. Wie das SG daher zutreffend ausgeführt hat, wird das Unternehmerrisiko durch das Fehlen eines eigenen Baggers zwar deutlich gemindert (der zwischenzeitlich angeschaffte Bagger spielt für den hier zu beurteilenden Zeitraum keine Rolle), besteht in geringerem Umfang jedoch gleichwohl.
Der Mitarbeiter spielte hier natürlich eine gewisse Rolle und natürlich die Entwicklung des Unternehmens. Man kann daher jedem Selbständigen nur raten, über kurz oder lang einen eigenen Bagger anzuschaffen.

Den Kollegen, der den Fall durchgezogen und gewonnen hat, habe ich bei einer Fortbildung ausdrücklich beglückwünscht. 

Freitag, 5. Dezember 2014

selbständige Intensivpflege

kann man zertifizieren lassen hatte ich hier bereits geschrieben und hatte meine Zweifel. Das LSG NRW zweifelt auch. Ich zweifle an den HR-Abteilungen mancher Kliniken. 
 
Pflegekräfte, die auf einer Intesivstation selbstständig tätig waren, wurden als Arbeitnehmer eingestuft - Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen 26.11.2014 (8 R 573/12). 

Unter anderem konnte der Selbständige die Patienten, die er auf der Intensivstation pflege, unabhängig von der ärztlichen Leitung, der Pflegedienst- oder der Stationsleitung selbst aussuchen, unterlag in geringerem Maße als die Angestellten ärztlichen Weisungen und hielt sich bei seiner Arbeit nicht an die individuellen Qualitätsstandards der Klinik, sondern an Nationale Expertenstandards

Das LSG sah als wesentlich die vollständige Eingliederung und die Bezahlung nach geleisteten Stunden als wesentlich an. Ein unternehmertypisches wirtschaftliches Risiko konnte das LSG nicht erkennen. 

Interessanterweise hatte der Pfleger in erster Instanz Glück.

Dienstag, 28. Oktober 2014

wenn der selbständige Bulgare doch selbständig ist, weil er Insolvenzgeld will

Manchmal geht es ganz anders. Wenn der Subunternehmer meint, kein Subunternehmer zu sein und klagt, dass er keiner ist. Und Insolvenzgeld möchte. 

Vor dem bayerischen LSG hatte der vermeintliche Subunternhemer sein Glück mit Insolvenzgeld versucht. Ein Arbeitsverhältnis konnte er - trotz Urteils des Arbeitsgericht - nicht nachweisen. Für weitere Prüfung ergaben sich keine Anhaltspunkte.
Soweit sich kein Nachweis über den Abschluss eines Arbeitsvertrages sondern allenfalls einer über den Abschluss eines Werkvertrages erbringen lässt, die vertragliche Gestaltung aber als unerheblich anzusehen wäre, weil die maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse hiervon abweichen, führte dies zu keiner anderen Betrachtungsweise. Rechtlich relevant sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse, die im Einzelfall bei wertender Betrachtung die Qualifizierung einer Tätigkeit als abhängige Beschäftigung erlauben. Der Kläger hat aber nichts vorgetragen, was eine zweifelsfreie Qualifizierung der von ihm im Zeitraum vom 15.06.2011 bis 22.07.2011(tatsächlich) ausgeübten Tätigkeit als abhängige Beschäftigung zuließe. Er hat lediglich dargelegt, er sei nach Stunden bezahlt worden, er habe die täglich vorgegebenen Arbeitszeiten einhalten müssen und er habe in Bezug auf die Ausführung der Bauleistung, die Werkzeuge sowie die Materialien den Weisungen des B. unterlegen. Diese Umstände - als wahr unterstellt - sind allein jedoch nicht geeignet zweifelsfrei einen Arbeitnehmerstatus des Klägers zu begründen, denn auch die Tätigkeit eines selbständigen Subunternehmers kann auf Honorarbasis als Stundenvergütung vereinbart sein. Ebenso ist ein selbständiger Bauhandwerker im Rahmen eines Werkvertrages an die Vorgaben des Bauherrn bzw. des Auftraggebers gebunden, was die Ausführung der Bauleistung und den Einsatz der verwendeten Materialien angeht. In Bezug auf den Einsatz der Werkzeuge hat der Kläger nicht einmal vorgetragen, dass diese von B. gestellt worden wären, und zuletzt ist auch die Anwesenheit eines selbständigen Bauhandwerkers auf Anforderung eines Bauherrn nicht ungewöhnlich. Gegen eine Tätigkeit des Klägers als abhängig Beschäftigter im Rahmen eines durch einen Arbeitgeber ausgeübten Weisungsrechts in Bezug auf die Arbeitszeiten sprechen demgegenüber die teilweise massiven Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen, wie sie sich aus dem Arbeitszeitgesetz (vom 06.06.1994; BGBl. I S. 1170, 1171 - ArbZG) ergeben. Ausweislich der gegenüber dem Arbeitsgericht S. angegebenen Zeiten der Tätigkeit habe der Kläger an 15 von 31 Tagen - unter Verstoß gegen § 3 ArbZG - mehr als 10 Stunden gearbeitet, ohne dass eine Ausnahmeregelung iSd § 7 ArbZG ersichtlich wäre. Darüber hinaus legen die Tätigkeitszeiten im Zeitraum vom 27.06.2011 bis 01.07.2011 (59 Stunden innerhalb von 5 Werktagen) zumindest einen Verstoß gegen die Regelung über die Ruhezeiten nahe (§ 5 ArbZG), und zuletzt läge aufgrund der Tätigkeit am 17.07.2011 (Sonntag) ein Verstoß gegen § 9 ArbZG (Sonn- und Feiertagsruhe) vor, da nicht ersichtlich ist, dass die Voraussetzungen des § 10 ArbZG (Sonn- und Feiertagsbeschäftigung) vorlägen. Im Ergebnis sprechen daher die vom Kläger angegeben Anwesenheitszeiten, die seitens des Bauherrn angeordnet gewesen seien, eher gegen eine abhängige Beschäftigung, da diese weder legal noch durch ein Weisungsrecht des B. gedeckt gewesen wären. Soweit der Kläger vorträgt, B. habe die Hotelzimmer, in denen er, der Kläger, übernachtet habe, angemietet aber nicht bezahlt, lässt auch dies keinen Schluss auf eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers zu. Ausweislich seiner Klage vor dem Arbeitsgericht S. hat er keine Übernachtungskosten, sondern lediglich eine Auslöse dem Grunde nach als Teil des Arbeitsentgeltes geltend gemacht, so dass die Anmietung der Unterkunft durch B. als indifferentes Kriterium keinerlei Bezug zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seines Status aufweist. Auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse gibt es daher keine zweifelsfreien Nachweise für eine abhängige Beschäftigung des Klägers; zu einer weitergehenden Beweiserhebung von Amts wegen musste sich der erkennende Senat nicht gedrängt sehen, denn auch wenn der Sachvortrag des Klägers als wahr zu unterstellen ist, rechtfertigt dieser Sachverhalt keine zweifelsfreie Beurteilung dahingehend, der Kläger habe - entgegen der Vereinbarung mit B. als selbständiger Subunternehmer für diesen tätig zu werden - eine abhängige Beschäftigung als Arbeitnehmer bei B. ausgeübt. In diesem Zusammenhang hat der Kläger - unter Bezugnahme auf das arbeitsgerichtliche Verfahren - allein dargelegt, dass andere "Arbeitnehmer" seine Arbeitszeiten zwar bezeugen könnten. Dem brauchte der Senat jedoch nicht nachzugehen, denn nach Lage der Akten gibt es keine Hinweise auf eine ladungsfähige Anschrift dieser Zeugen und der Kläger hat auch nicht angeboten diese mitzuteilen. Zudem ist der vom Kläger vorgetragene Umfang seiner Tätigkeit als wahr zu unterstellen, und in Bezug auf die zentrale Frage des vorliegenden Verfahrens, die persönliche Abhängigkeit des Klägers, ist weder ersichtlich, ob diese Zeugen Angaben machen können, noch hat der Kläger dieses behauptet. Allein aus der Anwesenheit des Klägers auf den Baustellen, die allein durch die Zeugen im arbeitsgerichtlichen Verfahren bestätigen werden sollten, lassen sich keine Schlüsse auf eine abhängige Beschäftigung ziehen. Darüber hinaus gibt es nach Lage der Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass die im arbeitsgerichtlichen Verfahren benannten Zeugen zum wesentlichen Abgrenzungskriterium, der persönlichen Abhängigkeit, die dadurch zum Ausdruck kommen könnte, dass eine Tätigkeit für andere Auftraggeber ausgeschlossen war, Angaben machen können, insbesondere nachdem nicht einmal der Kläger selbst behauptet, die Zeugen hätten Kenntnis von seinen vertraglichen Beziehungen zu B. gehabt. In diesem Zusammenhang hat der Kläger lediglich geltend gemacht, er habe allein für B. gearbeitet, was jedoch ebenfalls keinen Schluss auf eine Arbeitnehmereigenschaft zulässt, denn auch selbständige Bauhandwerker, sind - abhängig von der Größe des Auftrages - zumindest für begrenzte Zeiträume ausschließlich für einen Auftraggeber tätig, ohne dass aus derartigen vertraglichen Regelungen eine abhängige Beschäftigung erwachsen würde. Insoweit ist entscheidend auf die vertraglichen Bindungen abzustellen, die es einem Dienstherrn erlauben, eine Tätigkeit des Verpflichteten für einen anderen Dienstherrn auszuschließen. Soweit wie vorliegend der Kläger lediglich Angaben dazu macht, für keinen anderen Dienstherrn tätig gewesen zu sein, besagt dies nichts darüber, ob er nicht berechtigt gewesen wäre auch andere Aufträge anzunehmen, wofür allerdings bereits sein eigener Vortrag spricht, er sei "hauptsächlich" für B. tätig gewesen.

Das lese ich sonst eher genau entgegen gesetzt. Das Argument mit dem Arbeitszeitgesetz ist nett. Merke: je nachdem um was es geht, funktioniert der Beweis mal in diese, mal in die andere Richtung. 

wenn zwei sich streiten (?)

dann freut unter Umständen niemand "meine" Familienhelferin bekommt seit 2012 keine Aufträge mehr. Status unklar. Vor allem wegen LSG Berlin-Brandenburg - aktuell die Entscheidungen vom Juli 2014. Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich "Feinheiten". Familienhelfer ist nicht gleich Familienhelfer.

Der erste Senat ist bei den selbständigen Familienhelfern auf "ja". 

Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des BSG etwa für die rechtliche Beurteilung von Lehrtätigkeiten anerkannt, dass eine abhängige Beschäftigung nicht bereits deswegen anzunehmen ist, weil dem Dozenten der äußere Ablauf seiner Lehrtätigkeit vorgegeben wird (vgl. BSG Urt v. 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R – juris Rn 29 ). Auch der Zwang, sich inhaltlich an gewissen Vorgaben auszurichten, führt nicht zur Annahme von Weisungsgebundenheit. Tätigkeiten sind nämlich auch dann weisungsfrei, wenn zwar ihre Ziele vorgegeben werden, die Art und Weise der Ausführung aber dem Dienstleister überlassen bleibt. Entsprechend hat der Senat etwa für die Selbständigkeit vom Bundesrat beauftragter Führer des Besucherdienstes entscheidend darauf abgestellt, dass diese als Honorarkräfte im Kernbereich ihrer Tätigkeit frei waren (Urt. v. 15. Juli 2011 – L 1 KR 206/09 – juris Rn 171). Auch für Einzelfallhelfer hat er dieses Kriterium bereits als maßgeblich herangezogen (Urt. v. 17. Januar 2014 – L 1 KR 175/12 – juris Rn 64).

Unter Beachtung dieser Maßstäbe kommt es darauf an, ob der Beigeladene zu 1) im Wesentlichen frei, ohne inhaltliche Vorgaben seitens des Klägers in der Ausgestaltung seiner Tätigkeit war. Dies ist hier der Fall.

Der Beigeladene zu 1) und der Kläger haben bereits im Verwaltungsverfahren übereinstimmend und widerspruchsfrei geschildert, dass der Beigeladene zu 1) nach der Übernahme eines Falles keine Anweisungen des Klägers erhalten hat. Es hat weder Vorgaben hinsichtlich des Ortes oder der Zeit bzw. der Dauer der Tätigkeit noch inhaltliche Vorgaben für ihre Ausgestaltung gegeben. Der Beigeladene zu 1) hat nach Annahme eines Auftrages selbständig die Art und Weise und die inhaltliche Ausgestaltung seiner Betreuung und Förderung des jeweiligen Kindes festgelegt. Entsprechend der konkreten Fehlleistung des Hilfebedürftigen hat er aufgrund seines Fachwissens und seiner Erfahrungen einen Förderplan entwickelt und umgesetzt. Die entsprechende Vorgehensweise hatte er weder mit dem Kläger abzustimmen noch unterlag er insoweit Weisungen in dem Sinne, dass ihm Vorgaben gemacht wurden, wie er auf ein bestimmtes Verhalten der Hilfebedürftigen oder ein bestimmtes Beschwerdebild reagieren soll. Diese Fragen bleiben vielmehr dem Fachwissen des Beigeladenen zu 1) überlassen. Weder der Kläger als freier Träger noch das Bezirksamt haben konkrete Weisungen erteilt. Der von dem zuständigen Sozialamt ausgehende Auftrag bestimmte lediglich die Ziele der Einzelfallhilfe, gab aber deren Inhalte nicht vor. Nur der Beigeladene zu 1) bestimmte die Art und Weise der inhaltlichen Ausgestaltung der Betreuung des jeweiligen Kindes. Er hatte lediglich Entwicklungsberichte für das jeweilige Bezirksamt zu fertigen.
Besonders gut gefällt mir dabei der Satz (ja, so gehört´s):
Demgegenüber fällt nicht entscheidend ins Gewicht, dass der Beigeladene zu 1) kein Unternehmerrisiko trug, weil er angesichts des im Rahmenvertrages vereinbarten Honorars von 21,00 EUR je Stunde nicht das Risiko trug, seine Arbeitskraft einzusetzen ohne davon einen Ertrag zu haben.
Der neunte Senat sieht das alles ein wenig anders, wobei ich in der konkreten Fallkonstellation durchaus denke, dass die Vorgehensweise des Auftraggebers hier auch sehr besonders besonders ist. 
"Frau I G ist durch Vermittlung des Jugendamtes T als Familienhelferin eingesetzt. Der Stundensatz beträgt 26,40 DM brutto/netto zuzüglich 6,6 % Zuschuss zum Krankenkassenbeitrag. Außerdem erhält Frau G ein Urlaubsentgelt nach dem Bundesurlaubsgesetz. Der wöchentlich genehmigte Stundenumfang beinhaltet eine Stunde für Supervision sowie zwei Stunden für Vor- und Nachbereitung. Für jedes Kind, das im Haushalt der Eltern lebt, erhielt Frau G 20,-DM monatlich als Aufwendungsersatz. Bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen werden außerdem 9,6 % Zuschuss zur Rentenversicherung gezahlt."
 Eine Selbständige mit Urlaubsentgelt? Interessant. Vielleicht ist das gar keine unterschiedliche Sichtweise, nur unterschiedliche Fälle. Weiter heißt es sehr deutlich:

Insgesamt beobachtet der Senat hier ein vom Kläger verfolgtes Konzept, das die Vorteile abhängiger Beschäftigung (Weisungsabhängigkeit, Eingliederung, klare Vorgaben zu Lohn- und Sozialleistungen) mit den Vorteilen freier Mitarbeiterschaft (kein Beschäftigungsanspruch, hohe Flexibilität) kombinieren will. Damit korrespondiert auf der Seite der "freien Mitarbeiter" ein doppelter Nachteil, nämlich die fehlende Beschäftigungssicherheit auf der einen und die enge Kontrolle durch das Jugendamt bei klaren inhaltlichen und fachlichen Vorgaben auf der anderen Seite. Im Gesamtbild zeigt sich, dass der Kläger seinen Familienhelfern im fraglichen Zeitraum zwar das Etikett "freier Mitarbeiter" verleihen wollte, hierin aber aufgrund der Abhängigkeit, in die schon die rechtlichen Rahmenbedingungen die "freien Mitarbeiter" führten, ein Etikettenschwindel zu sehen ist.

Es bleibt spannend. Und für alle, die sich schon immer dachten, diese lästigen Probleme mit Status könnte man so eben im Vorübergehen mit einer Checkliste erledigen, viel Glück damit.  

Freitag, 10. Oktober 2014

die noch offenen "Gehälter" des Subunternehmers

„Whatever can go wrong will go wrong.“ und dann geht es auch noch weiter. Der nicht ganz erwünschte Mitarbeiter will sein Geld. Noch mehr Geld. Für offene Monate. Gestern meinte ein Kollege, der Subunternehmer habe nach ständiger Rechtsprechung die Pflicht alles zu tun, dass sein Gewerbe funktioniere. Nach ständiger Rechtsprechung?

Das LAG Rheinland-Pfalz hatte dazu im Jahre 2010 zu entscheiden wie es mit der Verrechnung nachträglich anfallender Sozialversicherungsbeiträge aussieht und gab dem Mitarbeiter recht. Er bekam sein Geld, die Aufrechnung funktionierte nicht - hier ein Sonderfall, da es zwei Beschäftigungsverhältnisse gab. Nur, das LAG sah keine irgendgeartete "Haftung" des Auftragnehmers. 

Vielmehr ging das LAG vom Restrisiko des Auftraggebers aus. 

Die Begrenzung der Abzugsmöglichkeit für den Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag führt dazu, dass der Arbeitgeber das Risiko trägt, wenn er fehlerhaft Beschäftigte als nicht sozialversicherungspflichtig behandelt, obwohl sie tatsächlich der Sozialversicherungspflicht unterfallen. Es ist dem Arbeitgeber nicht möglich, das Risiko, ob ein bestimmtes Rechtsverhältnis ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist oder nicht, teilweise auf den Arbeitnehmer abzuwälzen. Das im Interesse des Arbeitnehmers geschaffene Sozialversicherungssystem soll nicht mit der unerwünschten und den Gesetzeszweck beeinträchtigenden Begleiterscheinung drückender Beitragslast und der Beitragsverschuldung des Arbeitnehmers sowie der sich daraus ergebenden Klage-, Vollstreckungs- und sonstigen Druckmöglichkeiten des Arbeitgebers verbunden sein (BAG 12. 12. 2006 - BAG Aktenzeichen 3AZR80605 3 AZR 806/05 - NZA 2007, NZA Jahr 2007 Seite 1105).

(...)

Die Voraussetzungen nach § SGB_IV § 28 g Satz 4 SGB IV für eine uneingeschränkte Geltendmachung des Arbeitnehmeranteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag sind nicht erfüllt. In Betracht kommt vorliegend allein § 28 g Satz 4, 1. Altern. SGB IV (vorsätzliche oder grob fahrlässige Nichterfüllung der Pflichten nach § SGB_IV § 28 o SGB IV). Gem. § SGB_IV § 28o Abs. SGB_IV § 28O Absatz 1 SGB IV hat der Beschäftigte dem Arbeitgeber die zur Durchführung des Meldeverfahrens und der Beitragszahlung erforderlichen Angaben zu machen und, soweit erforderlich, Unterlagen vorzulegen.
Hieraus ergibt sich allerdings keine Verpflichtung zur Erteilung zutreffender Rechtsauskünfte durch den Arbeitnehmer. Die Verpflichtung erstreckt sich nur auf Mitteilung der für das Meldeverfahren und die Beitragszahlung erforderlichen Tatsachen (LAG Schleswig-Holstein, a. a. O.; Mette, in: BeckOK SGB IV § SGB_IV § 280 SGB IV Rz. 4). Welche der Beklagten nicht ohnehin bekannten Tatsachen der Kläger nicht mitgeteilt haben soll, ist nicht ersichtlich.

Natürlich bestehen nach BAG gewisse Verrechnungsmöglichkeiten zwischen bezahltem Honorar und dem "geschuldeten" Honorar sowie den Abgaben. Eine Art Gesamtsaldierung. Allerdings ging es in den Fällen, z.B. hier IMMER um Rundfunkmitarbeiter. Dabei gibt es die Spezialität, dass für diese Tarifverträge für feste und freie Mitarbeiter gelten. Es lässt sich also ohne Mühe ein Vergleich berechnen. Fehlt es an einem Vergleich, dürfte es schwierig sein, überhaupt eine Saldierung zu errechnen. 

Daher empfehle ich Auftraggebern in Zweifelsfällen unter anderem einen Arbeitsvertrag zu üblichen Bedingungen als Alternative zur "freien Tätigkeit" eines Freelancers vorzulegen und zu dokumentieren, dass der Auftragnehmer diesen abgelehnt hat. Das musste aufgrund von Verfahren nach § 7a SGB IV noch nicht getestet werden, ist aber immerhin ein Versuch.








Dienstag, 7. Oktober 2014

Steuerberater als Bevollmächtigte im Statusfeststellungsverfahren

Kleine Erinnerung an Entscheidungen hier und hier des BSG zu den Bervollmächtigten in Statusfeststellungsverfahren u.a.: 

 2. Die Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte gemäß § 13 Abs 5 SGB X erfolgte auch unter Zugrundelegung der durch das RDG eingetretenen Rechtsänderungen (dazu unter a) rechtmäßig. Die Tätigkeit der Klägerin ist als Rechtsdienstleistung iS des § 2 RDG einzustufen (dazu unter b) und stellt auch keine zulässige Nebenleistung iS des § 5 RDG dar (dazu unter c). Eine Vertretungsbefugnis kann zudem nicht aus § 13 Abs 6 S 2 SGB X iVm § 73 Abs 2 S 2 Nr 4 SGG hergeleitet werden (dazu d). Verfassungsrecht steht dieser gewonnenen Auslegung nicht entgegen (dazu e).

a) Nach § 13 Abs 1 S 1 SGB X kann sich ein Beteiligter eines Verwaltungsverfahrens (dort) durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Gemäß § 13 Abs 5 SGB X (hier anzuwenden idF von Art 2 Nr 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 11.12.2008, BGBl I 2418) sind Bevollmächtigte und Beistände jedoch zurückzuweisen, wenn sie entgegen § 3 RDG (idF vom 12.12.2007, BGBl I 2840) Rechtsdienstleistungen erbringen. Nach § 3 RDG wiederum ist die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder durch oder aufgrund anderer Gesetze (zB für Steuerberater durch § 3 Nr 1 StBerG) erlaubt wird. Als Rechtsdienstleistung ist nach der in § 2 Abs 1 RDG enthaltenen Legaldefinition "jede Tätigkeit in konkreten fremden" Angelegenheiten anzusehen, sobald sie eine "rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert".

b) Das Tätigwerden der Klägerin als Bevollmächtigte ist bereits im auf die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status gerichteten Verwaltungsverfahren nach § 7a SGB IV als Erbringung einer Rechtsdienstleistung iS von § 2 Abs 1 RDG zu werten.

 Das Tätigwerden der Klägerin im streitigen Verwaltungsverfahren stellt eine "konkrete fremde" Angelegenheit iS von § 2 Abs 1 RDG dar; denn sie erfolgte hier im Einzelfall und lag im wirtschaftlichen Interesse eines Dritten (vgl dazu allgemein Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks 16/3655 S 48 zu § 2 zu Abs 1 linke Spalte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH zum Rechtsberatungsgesetz (RBerG); BGH MDR 2011, 680 = Juris RdNr 29 ff), nämlich eines Mandanten der Klägerin, dessen sozialversicherungsrechtlicher Status zu klären und der Gesellschafter des vermeintlichen Arbeitgebers war.

Das Merkmal des § 2 Abs 1 RDG, wonach zusätzlich zum Tätigwerden in einer fremden Angelegenheit eine "rechtliche Prüfung des Einzelfalls" erforderlich sein muss, ist - wie die Beklagte und das LSG zutreffend angenommen haben - im vorliegenden Fall ebenfalls zu bejahen. Bereits die Antragstellung und das Betreiben eines Verwaltungsverfahrens nach § 7a Abs 1 SGB IV mit dem in diesem Zusammenhang nach Abs 4 der Regelung vorgesehenen obligatorischen Anhörungsverfahren machen eine solche "rechtliche Prüfung des Einzelfalls" erforderlich. Deswegen ist das Tätigwerden in einem solchen Fall nicht nur als für das Rechtsdienstleistungsrecht irrelevante bloße - schwerpunktmäßig eher im außerrechtlichen Bereich liegende - technische Leistung im Rahmen der Umsetzung von Rechtsvorschriften einzustufen.