Mittwoch, 5. Juni 2013

die Angst des Auftraggebers vor dem Elfmeter

zwischen Scheinselbständigen und deren Auftraggebern besteht eine brüchige Allianz.  Die Interessen sind - klischeemäßig: der Auftraggeber hat einen flexiblen Vertragspartner und spart die lästige Lohnbucherei, der Scheinselbständige kostet die Vorteile des Unternehmertums wie Vorsteuerabzug, günstigere Kfz-Leasing-Konditionen, Absetzen der "Fress-Quittungen", Freiheit von Sozialversicherung und private Krankenversicherung. Kann man alles irgendwie absetzen.

Abgerechnet wird später. Später ist wenn alt, Auftraggeber lustlos, Rentenversicherung fordert Beiträge - das übliche. Dann verändern sich die Interessen. Umsätze sind zugunsten von Porsche und Gastronomie ausgegeben und erst dann merkt man, dass Absetzen und Bezahlt-bekommen nicht ganz das selbe ist. Keine Einnahmen, dafür stramme Beiträge der privaten Krankenversicherung anstelle von 15 % von nix.  

Nichts ist schlimmer als ein Selbständiger im fortgeschrittenen Alter, der nicht vorgesorgt hat. Von Porsche zu Sozialhilfe ist schon doof. Da Not erfinderisch macht, drängt die Suche nach den Schuldigen. Das ist - sobald der Porsche weg ist - der böse Auftraggeber.

Der Scheinselbständige kann dann versuchen, einen Zahler für seine Rente zu finden. "Ich bin ja gar nicht selbständig, bitte holen Sie (Rentenversicherung) meine nicht bezahlten Beiträge von der Herr / die Dame dort drüben." Im Zweifelsfall wird dies zu einer Beitragsforderung von etwa 40 % des Honorarvolumens der vorangegangenen vier Jahre führen. Das ist ein ordentliche Batzen Geld.

Neu in diesen Szenarien sind Drohungen mit § 266a StGB. Damit der Auftraggeber auch noch so richtig die Hosen voll hat. Ich persönlich habe da Schwierigkeiten mit dem Vorsatz und bin gespannt wie sich § 266 a in diesen Fällen entwickelt. 

Jedenfalls sind dies alles Szenarien, in denen etwas Präzision nicht schadet.

Montag, 3. Juni 2013

wer entscheidet für wen?

Wenn die Rentenversicherung über den Status entscheidet, enscheidet sie nicht automatisch über die Berufsgenossenschaft. So entscheid das LSG Baden-Württemberg. Abweichende Entscheidungen sind zulässig, denn für BG ist die Rentenversicherung im Rahmen des § 7a SGB IV nicht zuständig. 

Aus dem Regelungsinhalt des § 7a SGB IV ergibt sich vielmehr, dass der Unfallversicherungsträger von einer solchen Statusentscheidung inhaltlich nicht betroffen wird. Denn mit dieser Regelung wird die Deutsche Rentenversicherung Bund gerade nicht ermächtigt, für alle Bereiche des Sozialgesetzbuches eine verbindliche Entscheidung über das (Nicht)Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu treffen (BSG, Urteil vom 11.03.2009, B 12 R 11/07 R in SozR 4-2400 § 7a Nr. 2). Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat vielmehr im Rahmen des § 7a SGB IV - an Stelle der sonst für die Sicherstellung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages zuständigen Versicherungsträger (Einzugsstellen, § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV, und Träger der Rentenversicherung, § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV) - ausschließlich über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu entscheiden (BSG, a.a.O.). Denn nur auf diese Versicherungszweige erstreckt sich der Gesamtsozialversicherungsbeitrag (vgl. § 28d SGB IV). Damit beschränkt sich auch die Entscheidungsbefugnis der Deutschen Rentenversicherung Bund im Rahmen des § 7a SGB IV auf diese Versicherungszweige und erstreckt sich somit nicht auf die gesetzliche Unfallversicherung. Die vom Sozialgericht für seine Auffassung (Bindungswirkung der Statusentscheidung nur, falls vor der Entscheidung des Unfallversicherungsträgers ergangen) zitierte Auffassung des Verwaltungsausschusses des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 22.05.2000 (HVBG-INFO 2000, 1523: Bindungswirkung einer Statusentscheidung bejaht) berücksichtigt die (beschränkte) Reichweite des § 7a SGB IV nicht und enthält auch keinerlei Begründung. Dabei kommt vorliegend dem Umstand, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund im Bescheid vom 07.05.2010 entgegen diesen gesetzlichen Vorgaben eine selbstständige Tätigkeit des Klägers feststellte, keine Bedeutung zu. Denn auch dies ändert an der strukturellen Reichweite dieser Entscheidung - nur in Bezug auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag - nichts.

der selbständige Arzt im Krankenhaus

selbständige Springer im Krankenhaus? 

Nach Ansicht des LSG Baden-Württemberg vom April 2013 geht das nicht. Jedenfalls nicht so. Das LSG setzt sich umfangreich mit den Regelungen des SGB V und dem Berufsbild auseinander. Das vermeidet die Auseinandersetzung mit dem Tatsächlichen und ist auf andere Berufsbilder nicht übertragbar:

Das zugelassene Krankenhaus ist nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung der Versicherten verpflichtet. Bei der Krankenhausbehandlung stehen Leistungen im Vordergrund, die in bestimmten Fällen für die Gewährleistung der Volksgesundheit unerlässlich, jedoch vom niedergelassenen Arzt im Regelfall nicht zu erbringen sind, weil sie - wie insbesondere die stationäre Versorgung der Patienten und/oder das interdisziplinäre Zusammenwirken unterschiedlicher Fachrichtungen bei Diagnose und Behandlung - die Möglichkeiten eines niedergelassenen Arztes regelmäßig überschreiten (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.1993 - I ZR 281/91 -, m.N. veröffentlicht in Juris). Die Krankenhausbehandlung umfasst gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung. Diese erfolgt in der Regel durch angestellte oder beamtete Ärzte des Krankenhauses. Der angestellte Arzt in Krankenhäusern (bzw. Kliniken) oder Sanatorien hat sich traditionell als zweite Berufsausübungsform neben dem Beruf des niedergelassenen Arztes (vgl. unten) entwickelt. Er ist ein in Rechtstradition und allgemeiner gesellschaftlicher Anschauung durch eine hierarchische Struktur geprägter, typischer ärztlicher Beruf (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.1993 - I ZR 281/91 -, m.N. veröffentlicht in Juris). Die hierarchische Struktur ist nicht nur traditionell gewachsen, sondern ist auch im Interesse der Volksgesundheit bedeutsam, wobei ein hohes Maß ärztlicher Eigenverantwortung auf Grund der Leitung durch einen ärztlichen Direktor, der fachlich vom Betreiber unabhängig ist, gewährleistet wird (vgl. auch BGH, Urteil vom 25.11.1993 - I ZR 281/91 -, m.N. veröffentlicht in Juris). Dieser ärztliche Leitungsvorbehalt (§ 107 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) ist maßgeblich für die Organisation und Weisungsstruktur des Krankenhauses. Die Organisation der gesamten Betriebsabläufe in fachlich-medizinischer Hinsicht sowie die im Krankenhaus erbrachten Leistungen müssen ärztlich gesteuert werden (vgl. BSG, Urteil vom 22.04.2009 - B 3 P 14/07 R - unter Hinweis auf Wahl in: jurisPK-SGB V, § 107 Rn. 22 und 27). Dies schließt die ständige ärztliche Verantwortung eines im Krankenhaus tätigen Arztes für jede einzelne Behandlung ein, die nach einem ärztlichen Behandlungsplan durchgeführt werden muss (Wahl in: jurisPK-SGB V, § 107 Rn. 22 und 27). Hierfür ist in personeller Hinsicht eine ausreichende Ausstattung mit jederzeit verfügbarem ärztlichem - und weiterem - Personal (§ 107 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) erforderlich. Wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass diese Vorgabe, jederzeit verfügbares ärztliches Personal vorzuhalten, statusneutral ist (BT-Drucks. 17/9992, S. 26 Zu Nummer 3 Buchstabe a (§ 2 KHEntgG); vgl. unten), überzeugt diese Annahme nicht, da die jederzeitige Verfügung über die Arbeitskraft von Mitarbeitern, hier von Ärzten, nur im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen denkbar ist. Denn für den selbständig Tätigen ist es gerade kennzeichnend, dass er selbst über seine Arbeitskraft verfügt und damit für einen bestimmten Auftraggeber nicht jederzeit verfügbar ist. Ebenso ergibt sich aus der erforderlichen Organisation der arbeitsteiligen Aufgabenwahrnehmung die Notwendigkeit der Einhaltung von Dienstplänen und der Abstimmung von Arbeitsabläufen sowie aus der dargestellten ärztlichen Verantwortungsstruktur die Einbindung in einen Behandlungsplan und das fachliche Weisungsrecht des Chefarztes (vgl. hierzu Biermann, Landauer, Mertens, Sorgatz, "Outsourcing" oder "sola dosis facit venenum", in: Entschließungen, Empfehlungen, Vereinbarungen der DGAI, Stand 19.07.2011, S. 95, 98 f. sowie das Positionspapier der DKG "Selbständigkeit vs. Arbeitnehmerstellung bei Kooperation zwischen Krankenhäusern und Ärzten - Stand 26.05.2011, S. 1, 15ff.; kritisch hierzu die Stellungnahme des Bundesverbands der Honorarärzte www.bv-honoraraerzte.de/live/bv-honoraraerzte/content/e3208/e3274/e3468/Stellungn RS DKG.pdf), dass die ärztliche Versorgung im Krankenhaus durch angestellte Ärzte erfolgen muss, da nur diese verbindlich in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses eingebunden werden können. Der sich hieraus ergebende Regelfall, dass Krankenhäuser mit angestelltem oder beamteten Personal arbeiten, entspricht zudem auch dem Ziel der Qualitätssicherung; denn bei eigenem Personal kann am ehesten davon ausgegangen werden, dass dieses nach dem Maßstab höchstmöglicher Qualifikation ausgewählt, angeleitet und überwacht wird. Auch der Gesichtspunkt der Transparenz der Leistungserbringung aus der Perspektive des Patienten spricht für diese Sicht (BSG, Urteil vom 23.03.2011 - B 6 KA 11/10 R -, veröffentlicht in Juris).

selbständige Lehrerin

als Berater fragt man sich ja oft: wie beraten? und das dann bitte auch mit sicher. 

In Vorbereitung eines Verfahrens zum Thema Tontechniker - ein gewonnenes Verfahren, ein Anerkenntnis, nur Hartnäckigkeit, surfe ich wieder und finde: die selbständige Lehrerin. Hier in der Ausprägung erst schön selbständig und am Ende lieber doch versichert werden. Kennt man - vor allem wegen der Rentenversicherungspflicht bei selbständigen Lehrern. Selber zahlen ist doofer als zahlen lassen. 

In derartigen Konstellationen kann man wetten und viel Geld verlieren. Schlagwort: Unternehmerrisiko. Da kann jeder Richter munter schreiben und schwups ist es weg. Das Risiko. Oder die Chancen. Oder eben wie das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im März 2013:

Die vorstehend aufgezeigten für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Umstände überwiegen im Rahmen der gebotenen Gesamtbewertung. Letztlich zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass die Überbürdung des Risikos, bei krankheits- oder urlaubsbedingten Ausfällen kein Honorar zu erhalten, wie es auch vorliegend mündlich vereinbart worden ist, nach der Rechtsprechung des BSG nur dann für Selbständigkeit spricht, wenn dem auch eine größere Unabhängigkeit oder höhere Verdienstchance gegenübersteht. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbständigkeit (vgl. – bezogen auf eine verwaltungsberatende Tätigkeit – BSG, U.v. 25. Januar 2001 - B 12 KR 17/00 R - SozVers 2001, 329; vgl. aber auch BSG, U.v. 12. Februar 2004, aaO: Das LSG hat es zutreffend als Indiz für selbständige Tätigkeit und gegen das Vorliegen abhängiger Beschäftigung angesehen, dass die Klägerin nur für die tatsächlich geleisteten Unterrichtsstunden bezahlt wird, sie ausgefallene Unterrichtsstunden nachholen muss und sie ein zusätzliches Honorar für die Teilnahme an Konferenzen erhält.). Da damit im vorliegenden Fall angesichts des fest vereinbarten Unterrichtsstundenhonorars keine höheren Verdienstchancen verbunden waren, beinhaltete die Überbürdung des genannten Risikos auf die Klägerin keinen für ihre Selbständigkeit sprechenden Umstand, er war andererseits aber auch nicht geeignet, die vorstehend erläuterten für ihre Selbständigkeit sprechenden und in der Gesamtbewertung überwiegenden Gesichtspunkte zu entkräften.

Verstanden? Nein? Ganz einfach: viele Gründe sprechen dafür. Ein wesentlicher Punkt dagegen. Der ist zwar wesentlich, aber auch wieder nicht so wesentlich. Aber es ist schön, dass dies in der Entscheidung diskutiert wurde.

Es gibt fliegende Fische, die im wesentlichen Fische sind, weil die fischige Eigenschaft überwiegt - z.B. Würmer essen, nass sein. Vögel können auch fliegen. Zum Beispiel Amseln. Die Eigenschaft fliegen zu können überwiegt allerdings nicht so stark, dass daraus automatisch geschlossen werden kann, dass Amseln keine Fische sind. Vielleicht habe ich mich jetzt logisch verflogen.