Mittwoch, 20. Februar 2013

Geschäftsführer einer Rechtsanwaltskammer Beschäftigter

so sagt das LSG Thüringen: 

Hinter diesen gewichtigen Argumenten für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung tritt zurück, dass der Beigeladene zu 2. hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Art und Ausführung seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterlag. Denn diese Freiheiten sind bei Diensten höherer Art üblich (vergleiche BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - Az.: B 12 KR 10/01 R, zitiert nach Juris). Vergleichbares gilt auch soweit der Beigeladene zu 2. eingeräumt hat, dass keiner seine Urlaubstage gezählt hat und es insbesondere eine förmliche Bewilligung des Urlaubes nicht gab. Gegen eine versicherungspflichtige Beschäftigung kann auch nicht angeführt werden, dass der Beigeladene zu 2. berechtigt war, trotz seiner Tätigkeit als Geschäftsführer weiterhin als Rechtsanwalt freiberuflich tätig zu sein.
Was mich an der Entscheidung überrascht, ist die Idee, überhaupt einen selbständigen Geschäftsführer zu haben. Das dürfte doch ein Vollzeit-Job sein und keine Nebentätigkeit. Ist der Geschäftsführer maßgeblich als Gesellschafter an der RAK beteiligt? Wohl eher nicht. Woher kommt dann die Selbständigkeit. Es wurde diskutiert (nach meinem Kenntnisstand gibt es auch in Thüringen Fachanwälte für Sozialrecht, aber gewöhnlich haben die keine große Lobby)

Für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses spricht vor allem das Fehlen des für einen Selbständigen typischen Unternehmerrisikos in der Person des Beigeladenen zu 2. Maßgebliches Kriterium hiefür ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 - Az.: B 12 KR 17/00 R, zitiert nach Juris). Aufgrund der vereinbarten Zahlung eines monatlich gleichbleibenden Betrages ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der Rechtsanwaltskammer, hatte der Beigeladene zu 2. kein eigenes Unternehmerrisiko zu tragen. Wesentlich für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung ist ferner, dass der Beigeladene zu 2. bei einem Kernbereich seiner Tätigkeit, nämlich der Überprüfung der zugelassenen Rechtsanwälte bis hin zur Entziehung von Zulassungen beziehungsweise der Entscheidung über Anträge auf Neuzulassung, nur Entscheidungsvorschläge machte und die Entscheidung im Anschluss von dem zuständigen Organ der Rechtsanwaltskammer, nämlich deren Präsidenten getroffen wurde. Auch bei der Bearbeitung von Beschwerden und Eingaben gegen die Rechtsanwälte bereitete er nur die Entscheidungsvorschläge vor, die Schreiben wurden vom Präsidenten gebilligt und unterzeichnet. In diesem Zusammenhang ist auf § 4 der Geschäftsordnung für den Vorstand der Rechtsanwaltskammer Thüringen hinzuweisen. Nach § 4 Abs. 1 der Geschäftsordnung führt der Präsident der Kammer die laufenden Geschäfte und führt die Beschlüsse des Vorstandes aus. Der Präsident oder sein Stellvertreter sind ermächtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen selbständig zu entscheiden oder ein Mitglied des Vorstandes oder den Geschäftsführer mit der Erledigung zu beauftragen. Daher verhielt es sich gerade nicht so, dass der Beigeladene zu 2. seine Tätigkeit als Geschäftsführer völlig frei ausüben konnte. Vielmehr konnte der Präsident der Rechtsanwaltskammer ihm jederzeit Weisungen erteilen. Soweit dieser in einer Stellungnahme vom 14. Mai 2008 geltend gemacht hat, dass bei seinem Amtsantritt im Jahre 2001 der Beigeladene zu 2. seine Tätigkeit völlig frei ausgeübt habe und er zum Beispiel der Meinung gewesen sei, aus eigener Kompetenz entscheiden zu können, ob er bei einem Kongress der DATEV teilnehmen müsse oder nicht, spricht dies nicht gegen das gefundene Ergebnis. Zum einen wird damit nicht in Abrede gestellt, dass ein erheblicher Teil des außenwirksamen Schriftverkehrs, zum Beispiel in Zulassungsangelegenheiten vom Präsidenten der Rechtsanwaltskammer oder seinem Vertreter zu unterzeichnen war. "Unterzeichnen" bedeutet in diesem Zusammenhang ebenfalls Billigung des Inhalts des Schreibens beziehungsweise die Befugnis zur Abänderung. Zum anderen ist entscheidend, dass der Präsident der Rechtsanwaltskammer die Befugnis hatte, derartige Weisungen zu erteilen, wovon er im übrigen auch selbst ausging. Ob solche Weisungen in der Praxis tatsächlich erteilt werden oder nicht, ist für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ohne Belang. Die rechtliche Möglichkeit der Erteilung von Weisungen reicht aus. Diese war nach § 4 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer gegeben. Dies steht auch mit dem abgeschlossenen Geschäftsführervertrag aus dem Jahre 1994 beziehungsweise dem Änderungsvertrag vom 24. Oktober 1996 im Einklang. Aus Ziffer 4 des Geschäftsführervertrages ergibt sich, dass die Aufgaben des Geschäftsführers sich unter anderem aus der Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer Thüringen sowie den Beschlüssen des Vorstandes und seines Präsidiums und den Anweisungen des Präsidenten oder seines Stellvertreters ergeben. Dass diese Regelung wirksam abbedungen worden wäre, ist nicht ersichtlich. Dies wäre bei der Ausübung der Aufsicht über die Rechtsanwälte nach der Bundesrechtsanwaltsordnung auch rechtlich gar nicht möglich. Für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses spricht des Weiteren, dass in dem Geschäftsführervertrag eine Lohnfortzahlung im Falle der Arbeitsunfähigkeit und ein Urlaubsanspruch in Höhe von 20 Werktagen vereinbart wurden.

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