Geschäftsführer einer Rechtsanwaltskammer Beschäftigter
so sagt das LSG Thüringen:
Hinter diesen gewichtigen Argumenten für die Annahme einer abhängigen
Beschäftigung tritt zurück, dass der Beigeladene zu 2. hinsichtlich der
Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Art und Ausführung seiner
Tätigkeit keinen Weisungen unterlag. Denn diese Freiheiten sind bei
Diensten höherer Art üblich (vergleiche BSG, Urteil vom 18. Dezember
2001 - Az.: B 12 KR 10/01
R, zitiert nach Juris). Vergleichbares gilt auch soweit der Beigeladene
zu 2. eingeräumt hat, dass keiner seine Urlaubstage gezählt hat und es
insbesondere eine förmliche Bewilligung des Urlaubes nicht gab. Gegen
eine versicherungspflichtige Beschäftigung kann auch nicht angeführt
werden, dass der Beigeladene zu 2. berechtigt war, trotz seiner
Tätigkeit als Geschäftsführer weiterhin als Rechtsanwalt freiberuflich
tätig zu sein.
Was mich an der Entscheidung überrascht, ist die Idee, überhaupt einen selbständigen Geschäftsführer zu haben. Das dürfte doch ein Vollzeit-Job sein und keine Nebentätigkeit. Ist der Geschäftsführer maßgeblich als Gesellschafter an der RAK beteiligt? Wohl eher nicht. Woher kommt dann die Selbständigkeit. Es wurde diskutiert (nach meinem Kenntnisstand gibt es auch in Thüringen Fachanwälte für Sozialrecht, aber gewöhnlich haben die keine große Lobby)
Für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses spricht
vor allem das Fehlen des für einen Selbständigen typischen
Unternehmerrisikos in der Person des Beigeladenen zu 2. Maßgebliches
Kriterium hiefür ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft
auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des
Einsatzes der tatsächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist
(vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2001 - Az.: B 12 KR 17/00
R, zitiert nach Juris). Aufgrund der vereinbarten Zahlung eines
monatlich gleichbleibenden Betrages ohne Rücksicht auf die
wirtschaftliche Situation der Rechtsanwaltskammer, hatte der Beigeladene
zu 2. kein eigenes Unternehmerrisiko zu tragen. Wesentlich für die
Annahme einer abhängigen Beschäftigung ist ferner, dass der Beigeladene
zu 2. bei einem Kernbereich seiner Tätigkeit, nämlich der Überprüfung
der zugelassenen Rechtsanwälte bis hin zur Entziehung von Zulassungen
beziehungsweise der Entscheidung über Anträge auf Neuzulassung, nur
Entscheidungsvorschläge machte und die Entscheidung im Anschluss von dem
zuständigen Organ der Rechtsanwaltskammer, nämlich deren Präsidenten
getroffen wurde. Auch bei der Bearbeitung von Beschwerden und Eingaben
gegen die Rechtsanwälte bereitete er nur die Entscheidungsvorschläge
vor, die Schreiben wurden vom Präsidenten gebilligt und unterzeichnet.
In diesem Zusammenhang ist auf § 4 der Geschäftsordnung für den Vorstand
der Rechtsanwaltskammer Thüringen hinzuweisen. Nach § 4 Abs. 1 der
Geschäftsordnung führt der Präsident der Kammer die laufenden Geschäfte
und führt die Beschlüsse des Vorstandes aus. Der Präsident oder sein
Stellvertreter sind ermächtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen selbständig
zu entscheiden oder ein Mitglied des Vorstandes oder den
Geschäftsführer mit der Erledigung zu beauftragen. Daher verhielt es
sich gerade nicht so, dass der Beigeladene zu 2. seine Tätigkeit als
Geschäftsführer völlig frei ausüben konnte. Vielmehr konnte der
Präsident der Rechtsanwaltskammer ihm jederzeit Weisungen erteilen.
Soweit dieser in einer Stellungnahme vom 14. Mai 2008 geltend gemacht
hat, dass bei seinem Amtsantritt im Jahre 2001 der Beigeladene zu 2.
seine Tätigkeit völlig frei ausgeübt habe und er zum Beispiel der
Meinung gewesen sei, aus eigener Kompetenz entscheiden zu können, ob er
bei einem Kongress der DATEV teilnehmen müsse oder nicht, spricht dies
nicht gegen das gefundene Ergebnis. Zum einen wird damit nicht in Abrede
gestellt, dass ein erheblicher Teil des außenwirksamen Schriftverkehrs,
zum Beispiel in Zulassungsangelegenheiten vom Präsidenten der
Rechtsanwaltskammer oder seinem Vertreter zu unterzeichnen war.
"Unterzeichnen" bedeutet in diesem Zusammenhang ebenfalls Billigung des
Inhalts des Schreibens beziehungsweise die Befugnis zur Abänderung. Zum
anderen ist entscheidend, dass der Präsident der Rechtsanwaltskammer die
Befugnis hatte, derartige Weisungen zu erteilen, wovon er im übrigen
auch selbst ausging. Ob solche Weisungen in der Praxis tatsächlich
erteilt werden oder nicht, ist für die Annahme eines abhängigen
Beschäftigungsverhältnisses ohne Belang. Die rechtliche Möglichkeit der
Erteilung von Weisungen reicht aus. Diese war nach § 4 Abs. 1 der
Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer gegeben. Dies steht auch mit
dem abgeschlossenen Geschäftsführervertrag aus dem Jahre 1994
beziehungsweise dem Änderungsvertrag vom 24. Oktober 1996 im Einklang.
Aus Ziffer 4 des Geschäftsführervertrages ergibt sich, dass die Aufgaben
des Geschäftsführers sich unter anderem aus der Geschäftsordnung der
Rechtsanwaltskammer Thüringen sowie den Beschlüssen des Vorstandes und
seines Präsidiums und den Anweisungen des Präsidenten oder seines
Stellvertreters ergeben. Dass diese Regelung wirksam abbedungen worden
wäre, ist nicht ersichtlich. Dies wäre bei der Ausübung der Aufsicht
über die Rechtsanwälte nach der Bundesrechtsanwaltsordnung auch
rechtlich gar nicht möglich. Für die Annahme eines abhängigen
Beschäftigungsverhältnisses spricht des Weiteren, dass in dem
Geschäftsführervertrag eine Lohnfortzahlung im Falle der
Arbeitsunfähigkeit und ein Urlaubsanspruch in Höhe von 20 Werktagen
vereinbart wurden.
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