Montag, 6. Oktober 2014

Küken- bzw. Hühnersortierer

hätten Sie es gewusst? Es gibt Hühnersortierer. 


Im Rahmen der gewerblichen Geflügelzucht erfolgt jedenfalls bei einem Großteil der Betriebe bei den frisch geschlüpften Eintagsküken eine Geschlechtsbestimmung. Dabei handelt es sich (ausweislich der Angaben des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V. vom 4. September 2008, Bl. 114 der den Kläger zu 8. betreffenden Verwaltungsvorgänge) um eine hoch spezialisierte Tätigkeit. Diese setzt eine spezifische Ausbildung voraus, die in Deutschland nicht angeboten wird, aber in einer Reihe von asiatischen Staaten, darunter auch Korea, erfolgt.
Das LSG Nieddersachsen-Bremen L 2 R 597/10 hatte sich mit der Frage auseinander zu setzen, wie selbständig derartige Sortierer arbeiten. Und befand: gar nicht. 

Interessant wird der Fall dadurch, dass sich die Sortierer zu einer KG zusammen geschlossen hatten und alle Gesellschafter der KG waren. Der Gesellschaftervertrag sah gewissen Regelungen vor, die ausgesprochen untypisch waren und - vereinfacht - eine Selbständigkeit durch vertragliche Gestaltung erreichen sollten. 


Zur Begründung hat das Sozialgericht insbesondere darauf hingewiesen, dass die KG praktisch handlungsunfähig wäre, wenn das in ihren Statuten vorgesehene Einstimmigkeitsprinzip konsequent umgesetzt werde. Jedenfalls beinhalte der Gesellschaftsvertrag eine starke Einschränkung der Handlungsfreiheit der einzelnen Gesellschafter, aufgrund derer im Ergebnis nicht von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen sei. Insbesondere sei bei den einzelnen Gesellschaftern keine eigene autonome Entscheidungsfreiheit verblieben.

Das LSG hat dieses Ergebnis gestützt.


Nur derjenige, der kraft seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung, weil er Mehrheitsgesellschafter ist oder jedenfalls über eine sog. Sperrminorität verfügt, als Geschäftsführer-Gesellschafter in der Lage ist, ihm nicht genehme Entscheidungen der Gesellschaft zu verhindern, ist ausnahmsweise nicht abhängig beschäftigt (BSG, U.v. 24. November 2005 - B 12 RA 1/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 7).
Über eine solche Sperrminorität verfügte im Ergebnis keiner der Kläger. Vielmehr konnte jeder der Kläger auch gegen seinen Willen bei Verwirklichung auch nur einer der Tatbestände des § 8 Ziffern 1 oder 3 des Gesellschaftsvertrages aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden konnten.

Das Urteil macht deutlich, dass vertragliche Regelungen zwei Gegensätze vereinen müssen: einerseits sollen die Gesellschafter möglichst selbständig sein, andererseits will sich die Mehrheit nicht von einzelnen in ihren Möglichkeiten einschränken lassen. Beides ist nicht möglich und macht deutlich, dass sich Selbständigkeit nur eingeschränkt kreativ regeln lässt. 

Neben fehlendem Unternehmerrisiko, fehlenden tatsächlichen Geschäftsführeraufgaben, sieht das LSG nur den Arbeitgeber:



Auch anderweitig bestanden für die Kläger keine die Tätigkeit prägenden für einen Arbeitnehmer uncharakteristische Handlungsspielräume (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: BSG, U.v. 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R -). Diesbezüglich ist bereits im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass es im Ergebnis der Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht einmal entgegenstünde, wenn ein Geschäftsführer "im täglichen Dienstbetrieb" "im Wesentlichen frei walten und schalten" und, was Ort, Zeit und Dauer seiner Arbeitsleistung betrifft, weitgehend weisungsfrei agieren kann (BSG, U.v. 18. Dezember 2001, aaO). Im vorliegenden Fall war eine solche Freiheit im Ergebnis jedoch ohnehin nicht festzustellen. Der Gesellschaftsvertrag verpflichtete die Kläger zur aktiven persönlichen Mitwirkung unter "vorrangiger Beachtung der Belange der Gesellschaft". Jeder wiederholte Verstoß gegen diese Bestimmung war nach § 8 Abs. 3 des Vertrages dahingehend sanktioniert, dass die übrigen Gesellschafter den Betroffenen auch gegen seinen Willen aus der Gesellschaft ausschließen durften.

Damit wurde im betrieblichen Alltag erforderlichenfalls Druck auf die Kläger ausgeübt, alle für sie vorgesehenen Sortieraufträge auch wahrzunehmen, solange nicht auf Seiten der übrigen Gesellschafter ohnehin eine Bereitschaft zur Übernahme weiterer Aufträge bestand. Die im Alltag tatsächlich ausgeübte die berufliche Tätigkeit aller Kläger für die Beigeladene prägende - durchaus monotone - Sortiertätigkeit war ohnehin hinsichtlich ihrer konkreten Ausformung durch die mit der Aufgabenerledigung verbundenen Vorgaben zumal auch angesichts des hohen vertraglich festgelegten Zeitdrucks weitestgehend vorgezeichnet.

Nachdem der jeweils betroffene Kläger der Einteilung zu einem konkreten Sortierauftrag nicht widersprochen hatte (wobei ein Widerspruch aus den dargelegten Gründen nach den vertraglichen Vereinbarungen nur in Betracht kam, wenn damit die Interessen der Gesellschaft nicht missachtet wurden, vgl. auch BSG, U.v. 25. April 2012 - B 2 KR 24/10 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 15, wonach maßgebend die Verhältnisse nach Annahme - also bei Durchführung - des einzelnen Auftrags sind), waren Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung durch die Umstände vorgegeben. Dementsprechend ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass ohnehin "eine gewisse örtliche und zeitliche Eingliederung" des Beschäftigten genügen kann (vgl. BSG, B.v. 16. August 2010 - B 12 KR 100/09 B – bezogen auf Reinigungskräfte).

Die Beigeladene verfügte nicht über eigene Betriebsstätten und betriebliche Anlagen, sie ließ die Kläger aber in der Betriebsstätte der Brüterei an den dort von der Brüterei vorgehaltenen Sortieranlagen ihre Tätigkeit verrichten. In diese von der Beigeladenen unter Heranziehung der Produktionseinrichtungen der Brüterei geschaffene betriebliche Ordnung mussten sich die Kläger einfügen. Alle Kläger waren in diese Arbeitsorganisation der Beigeladenen als des Weisungsgebers eingegliedert.










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